5. Ein falscher Prophet
Zum Begriff der politischen Religion an Hand von
Paul de Lagardes
theologisch-politischen Traktaten
Zur Kennzeichnung des geistigen Hintergrunds des Nationalsozialismus
und manchmal auch des Bolschewismus werden heute immer häufiger
Begriffe wie politische Religion oder politische
Theologie verwendet.1 Doch wie konnte gerade die christliche Religion in einer protestantischen
Kultur, die von Luthers Zwei-Reiche-Lehre geprägt war,
plötzlich politisch werden? Wie war ein solcher Prozess
im aufgeklärten zwanzigsten Jahrhundert überhaupt
möglich? Solange diese Fragen nicht beantwortet sind,
handelt es sich bei dem Ausdruck politische Religion
um ein bloßes Oxymoron, um die Zusammenstellung zweier
sich widersprechender Begriffe zur rhetorischen Figur. Wer
sich bewusst widersprüchlich ausdrückt, wirkt geistreich
und tief, weil jedes Paradox verblüfft. Er kann auch
einige Fakten anführen, die bei oberflächlicher
Betrachtung für seine These sprechen, wie z.B. das religiöse
Pathos der Reden, die Selbstdarstellung des NS-Regimes auf
den Parteitagen, der Führer- oder Personenkult in beiden
Systemen und Ähnliches.
Bohrenden Fragen hält die These von der politischen Religiosität
des Nationalsozialismus allerdings nicht stand. Warum hat
Hitler, wenn er sich angeblich vom Christentum inspirieren
ließ, für die Zeit nach einem militärischen
Sieg eine Christenverfolgung geplant?
Vielleicht resultieren totalitäre Systeme gar nicht aus
der Religion? Irgendwoher musste sich allerdings auch die
nationalsozialistische Weltanschauung entwickelt haben, sie
konnte nicht aus dem Nichts entstanden sein.
Paul de Lagarde (1827-1891), der Prophet der Deutschen,
wie er von Wilamowitz genannt wurde, scheint mit seinen Deutschen
Schriften auf den ersten Blick die These der politischen
Religion zu bestätigen, denn er wollte eine neue Nationalreligion
für die Deutschen schaffen und hat mit seinen politischen
Forderungen wesentliche Programmpunkte der Nationalsozialisten
vorweggenommen, bis hin zur Forderung der Judenvernichtung.
1 Wie
z.B. Claus-Ekkehard Bärsch, Die politische Religion des
Nationalsozialismus, München 1998
Seite1
Wer sich jedoch von Schlagwörtern wie Deutsche
Religion und von den Bildern der Selbstinszenierung
dieses Regimes auf Parteitagen nicht betören lässt,
sondern in die labyrinthische Höhlen-Existenz dieser
zwiespältigen Existenz hinabsteigt, der findet unter
der Oberfläche in philosophischen Tiefen unerwartete
Zusammenhänge.
Denn kein Autor kann uns auf die Frage nach der Berechtigung
der Begriffe politische Religion und politische
Theologie besser Auskunft geben, als der schrullige
Gelehrte und Publizist Paul de Lagarde, der seine Deutschen
Schriften oder Schriften für das deutsche Volk im Vorwort theologisch-politische Traktate genannt
hat.
1. Gott und Mensch,
Freiheit und Diktatur
Lagarde wurde bekannt für seine Forderung nach
einer Religion der Zukunft, nach einer nationalen
Religion. Und dieses Ziel sollte Konsequenzen für
die in Deutschland bestehenden Konfessionen oder Religionen
haben.
Die erste Frage, welche beantwortet
werden muß, ist die, ob irgend eine der in Deutschland
tatsächlichen bestehenden Religionsgesellschaften so
beschaffen ist, daß wir uns ihrer zu entledigen wünschen
müssen. Die Antwort lautet: sie sind alle miteinander
unerwünscht. (290f.)2
Und:
Will man in Deutschland Religion haben,
so muß man, weil Religion zur unumgänglichen Vorbedingung
ihrer Existenz Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit hat, alle den
fremden Plunder abtun, in welchen Deutschland vermummt
ist, und durch welchen es mehr als durch individuelle Selbsttäuschungen
vor seiner eigensten Seele zum Lügner wird. (285)
Nun finden sich ähnliche Gedanken wie die Schaffung
einer religiösen Volksgemeinschaft bis hin zur Abschaffung
des Alten Testaments3 bereits
in Hegels theologischen Frühschriften. Lagarde hat diese
nicht gekannt, weil sie erst 1907 veröffentlicht wurden.
Aber das Ziel der religiösen Vereinheitlichung eines
konfessionell gespaltenen Volkes durch eine Vernunftreligion
war schon von Kant angeregt worden, was hier nur angedeutet
werden kann. Da Kant den Juden den Status einer Religionsgemeinschaft
aberkannte, trifft ihn auch eine Mitschuld dafür, dass
sich Lagardes Polemik gegen alle den fremden Plunder
vor allem gegen das Judentum richtete. Dem Propheten
der Deutschen kam im Prozess der Verwandlung des deutschen
Idealismus in eine nationale Ideologie zudem eine Schlüsselstellung
zu, weil er als erster philosophisches Gedankengut ganz entschieden
für das nationale Ziel einsetzte, das erst Hitler kurzfristig
verwirklichen sollte: für die Schaffung von Großdeutschland.
Er war nicht nur ein radikaler Antisemit, sondern auch ein
erklärter
2 Ich
zitiere Lagardes Deutsche Schriften nach der Ausgabe
von Karl August Fischer, München 1924
3 Vergl.
Dieter Just, Das gestörte Weltbild, 3. Kapitel
Seite2
Feind der Liberalen - Juden
und Liberale seien naturgemäß Bundesgenossen (370)
- und für einen Protestanten erstaunlich, auch ein wütender
Kämpfer gegen den Protestantismus.
Fragen wir nach den Mitteln, wie im aufgeklärten neunzehnten
Jahrhundert eine neue Religion zu gründen sei. Woher
käme im Zeitalter der Naturwissenschaften der unerschütterliche,
felsenfeste Glaube etwa an einen Mohammed, um den letzten
der großen Religionsstifter zu nennen, der seine Inspirationen
als Gottes Worte ausgab? Woher nimmt ein Religionsstifter
im Zeitalter des radikalen Zweifels und des Culte du Moi die
göttliche Autorität? Nietzsche hat diese Frage in
Der Gesetzgeber der Zukunft (KSA11/258f.) zu beantworten
gesucht.
Allgemein teilte man im aufgeklärten 19. Jahrhundert
kaum Lagardes Meinung, Religionen kämen durch Ehrlichkeit
und Wahrhaftigkeit zustande, sondern eher durch frommen Betrug.
Lagarde war als erster deutscher Orientalist ein vergleichender
Religionswissenschaftler. Aus der Wissenschaft konnte die
für einen Religionsstifter erforderliche Autorität
jedoch nicht kommen, und nach der Aufklärung auch nicht
mehr aus der Religion. Lagardes Plädoyer für Ehrlichkeit
und Wahrhaftigkeit deutet vielmehr auf die Aufklärung
selbst als obersten Wert, auf die Philosophie. Dass aber gerade
die philosophischen Lehren, von denen er ausging, zu einer
extrem schädliche Form von Selbstbetrug führen
können, möchte ich in diesem Aufsatz zeigen. Am
Schluss unserer Reflexion wird klar werden, dass Lagarde,
wie schon Kant, auch wenn er den Begriff selbst nicht verwendete,
die Autonomie des Ichs als Hebel einsetzte, um die Einzelnen
aus ihren Kirchen heraus zu brechen und der neuen nationalen
Kirche zuzuführen. So will er die verschiedenen
christlichen oder christlich seinwollenden Religiositäten
versöhnen und sie zu einer einzigen, einzigartigen,
nur in den Personen sich differenzierenden Frömmigkeit
steigern. (470) Der Text bleibt unklar, aber als Erläuterung
könnten vielleicht Sätze dienen wie: In der
neuen Epoche unsrer Geschichte ist unsere Hauptaufgabe die,
möglichst viele Menschen zu Personen, zu Charakteren
zu erziehen. (101) Diese Aufgabe kann nur durch
Rückgreifen auf den echt deutschen Individualismus unsrer
Väter gelöst werden. (102)
Kündigt sich hier die konservative Revolution eines Moeller
van den Brucks an, die zur Ideologie des Dritten Reiches führte?
Weiter heißt es:
Damit ist Eins gefordert: den einzelnen
Menschen wo und soweit irgend möglich in seine Rechte
gegenüber der Welt einzusetzen, möge diese Welt
Formen haben welche sie wolle: alles zu tun, was den Menschen
als einzelnen zur Vollkommenheit bringen kann. (184)
Seite3
Und:
.... Je mehr einzelne Deutsche, welche
das auf den letzten Seiten dieser Abhandlung Gesagte anerkennen,
sich zu bilden, das heißt, das in dem ihnen durch Geburt
und Anlage gegebenen Materiale schlummernde Gottesbild herauszuarbeiten
bemüht sind, desto klarer wird uns unser Wesen werden.
Originalität ist überhaupt, weil und wenn ein ethisches
Gut, nichts Angeborenes, sondern etwas Erworbenes: die Forderung
besteht überall, nicht bloß in Deutschland, weil
Gott denselben Gedanken nicht zweimal denkt, also jeder von
Gott gewollte Mensch anders sein muß als sein Nebenmensch...
(280)
Spätestens hier wird deutlich, warum Lagarde als idealistischer
Denker das Jahr 1945 geistig überlebte. Wer könnte
angesichts des Aufstands der Masse (Ortega y Gasset)
solche Sätze nicht uneingeschränkt befürworten?
Wer jedoch dem Propheten der Deutschen auf den
Leim geht, übersieht, dass dieser zwar auf der einen
Seite die Vermassung leidenschaftlich bekämpfte, andererseits
aber genau diesen Prozess ebenso kräftig gefördert
hat, so dass seine linke Hand nicht wusste, was die rechte
tat, und umgekehrt.
Über das Gottesbild wird noch zu reden sein. Hier genüge
vorerst der Hinweis, dass sich alle diese herrlichen Sätze
über den Wert der Persönlichkeit, in denen man den
edlen Kern des deutschen Kulturprogramms sehen könnte,
auch in Hitlers Mein Kampf finden, als ideologische
Grundlage seiner Diktatur.4
Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?
In Die Religion der Zukunft aus dem Jahre 1878 stellt
Lagarde zunächst eine Abneigung seiner Zeitgenossen gegenüber
den bestehenden Religionen fest. Dann setzt er dazu an, einer
neuen Religion den Weg zu bahnen, wie er meint:
... Zu Gott gelangt man nicht durch
die Furcht, nicht durch das Gefühl der Abhängigkeit,
nicht durch den Verstand, nicht durch Fürwahrhalten oder
Glauben, sondern nur durch das Bestreben, besser zu werden,
weil nur dieses auf das Gute hinaus will, das mit Gott eines
und dasselbe ist. Fromm sein heißt, das eigene Leben
und die Geschichte als ein zu einem Ziele dringendes Ganze
verstehn: darum ist die Anerkennung eines Zieles - und ein
solches steckt doch das Ideal - die notwendige Vorbedingung
aller Frömmigkeit.. (251f)
Das Ideal ist mit dem Guten und dieses wiederum mit Gott
identisch. Lagarde war dem Idealismus Kants und Fichtes verpflichtet,
welche Gott und die Religion ausschließlich in den Dienst
der moralischen Besserung des Menschen stellten. Als Religionsstifter
hat er keine Rolle gespielt; dass er aber die politische und
religiöse Wirklichkeit im Deutschen Reich unerbittlich
an einem Ideal maß, hat ihm in der Weimarer Republik
ein hohes Ansehen verschafft, das bis heute noch nicht ganz
erloschen ist. Selbst Fritz Stern5
bezeugt ihm immer
4 "Die Person ist nicht zu ersetzen; sie ist es besonders dann nicht, wenn sie nicht das mechanische, sondern das kulturell-schöpferische Element verkörpert. So wenig ein berühmter Meister ersetzt werden kann und ein anderer die Vollendung seines halbfertig hinterlassenen Gemäldes zu übernehmen vermag, so wenig ist der große Dichter und Denker, der große Staatsmann und der große Feldherr zu ersetzen... Das weiß am besten der Jude. Gerade er, dessen Größen nur groß sind in der Zerstšrung der Menschheit und ihrer Kultur, sorgt für ihre abgöttische Bewunderung. Nur die Verehrung der Völker für ihre eigenen Geister versucht der als unwürdig hinzustellen und stempelt sie zum 'Personenkult'." Hitler, Mein Kampf (1935) S.387, vergl. auch S.495 "Wert der Persönlichkeit."
5 Lagardes Kritik an der christlichen Lehre, seine Verhöhnung
des lauen Protestantismus und seine Angriffe auf den politischen
Katholizismus waren mit Recht berühmt...
Fritz Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr.- eine
Analyse nationaler Ideologie in Deutschland, Bern, Stuttgart,
Wien, 1963, S.61.
Seite4
wieder seine Hochachtung, obwohl ihm sein Ziel, das deutsche
Volk durch ein Ideal zu vereinen, suspekt sein sollte.
Offenbar ist der Glanz des Wortes Ideal selbst unter kritischen
Intellektuellen noch nicht verblasst. Leider übersieht
Fritz Stern die Abhängigkeit des deutschen Propheten
vom deutschen Idealismus, um vor allem seine theologische,
ja christliche Herkunft zu betonen.
Lagarde pflegte zu sagen, er sei in erster Linie Theologe,
beginnt das Kapitel über Lagarde, das die Überschrift
Nationale Religion trägt. Diese nationale
Religion, der neue heroische Glaube, so Stern weiter,
würde eine gereinigte, endlich dem deutschen Wesen angemessene
Version des Christentums sein. Es würde sogar notwendig
sein, einige altheidnische Riten wiederaufleben zu lassen.
(S.73)
Der letzte Satz macht stutzig; eine neue Version des Christentums
mit einigen neuheidnischen Riten garniert, was sollte das
sein? Stern schreibt über Lagarde:
Er war ein gefühlsbestimmter Theist,
tiefreligiös, voller Achtung und Verehrung gegenüber
dem Göttlichen, dem Mystischen aufgeschlossen. In Gott
sah er den Schöpfer und Erlöser des Menschengeschlechts...
(ebenda, S.64).
Wir werden sehen, dass diese Charakterisierung falsch ist.
Fritz Stern unterschlägt uns z. B. eine lapidare Feststellung
Lagardes aus dem Jahre 1875:
Es sagen nicht wenige, das Ideal des deutschen
Volkes sei das christliche Ideal. Ich zweifle nicht an der
subjektiven Wahrhaftigkeit dieser Behauptung: objektiv ist
diese Behauptung völlig unbegründet. (148)
Dass sich Lagarde vom Christentum seiner Väter weit
entfernt hat, müsste eigentlich sehr schnell auffallen.
Zunächst sei festgestellt, dass es sich bei ihm um einen
Theologen ganz besonderer Art handelt, der nämlich
immer wieder das Recht des Einzelnen auf seine Freiheit betont,
und zwar, wie wir noch sehen werden, auch gegenüber Gott,
den es im theologischen Sinne in seinen Schriften gar nicht
gibt. Und vielleicht noch verblüffender, das deutsche
Ideal, das alle Deutschen verbinden soll, nimmt bereits eine
monarchische Diktatur vorweg, wie sie später Hitler ohne
Monarchie verwirklicht hat. Es erscheint deshalb paradox,
das autoritäre, ja totalitäre Denken Lagardes aus
einer Philosophie der Freiheit, wie der deutsche Idealismus
auch genannt wurde, abzuleiten.
... Wir haben keine Presse, als eine Parteipresse,
und eine Parteipresse ist ein Institut, dem die Wahrheit vollständig
gleichgültig, dem der Sieg der Partei das allein Erstrebenswerte
ist. Das kann nur dann sich ändern, wenn wir dem Parteiwesen
das Wasser abgraben, und dies geschieht dadurch, daß
wir unsere etwa achtunddreißig gesetzgebenden Versammlungen
aufheben: denn die Parteien würden nicht kämpfen,
wenn sie nicht Orte hätten, in welchen zu siegen lohnt....
Das kann nur dann sich ändern, wenn wir den Staat als
das ansehen lehren, was er ist, als eine dienende Maschine,
der gegenüber es sich um konservativ, liberal, freisinnig,
katholisch gar nicht,
seite5
sondern nur darum handelt, ob sie zu unserer
Zufriedenheit und mit tunlichst geringen Kosten arbeitet,
eine Maschine, deren Beamte wir als Fronknechte in die Reisfelder
senden, wenn sie es je vergessen, daß sie unsere Diener
sind. Das kann nur dann sich ändern, wenn wir die
Kirche gründen helfen, welche unser Volk wiedergebiert,
wenn wir die Monarchie erobern, deren Träger vor Gottes
Augen in Zucht und Denken uns voran leben, und die unter sich,
bis in die Handwerkerhäuser und Bauernhöfe hinein,
möglichst viele fürstlich empfindende Untertanen
haben... (465f.)
Hier mischen sich freiheitliche Elemente mit reaktionären.
Die Staatsbeamten seien Diener des Volkes, aber ein Volk gibt
es noch nicht, da noch keine deutsche Nationalkirche existiere.
Also wäre eine institutionelle Sicherung der Volkssouveränität
fehl am Platz, wie auch Lagarde immer wieder betont, würden
Wahlen beim jetzigen Zustand des Volkes, das noch nicht durch
ein Ideal geeint sei, die Volkseinheit nur weiter in
Frage stellen. Jetzt wird der Zusammenhang zwischen seiner
Vorstellung von Freiheit und der Forderung nach einer Diktatur
schon deutlicher. Lagarde will, auch hierin den Nationalsozialismus
vorwegnehmend, nicht nur alle Kirchen und Konfessionen, sondern
auch alle Parteien und Parlamente beseitigen, sieht er doch
in der Tatsache, dass das gesamte politische Leben der Nation
nur in dem Rahmen dieser Parteien sich vollzieht, den
Beweis für eine tödliche Erkrankung unsres Volkes.
(478)
Entscheidende Grundlage der deutschen Nationalkirche sei aber
neben der sittlichen Autonomie die wirtschaftliche Selbständigkeit.
Die Untertanen kann er sich nur als Handwerker
und Bauern, nicht etwa als Lohnabhängige vorstellen.
Dies ist die konservative Komponente seiner Revolution.
... Ein Volk ist nur frei, wenn es aus
lauter Herren besteht.... Aus Herren bis in die untersten
Schichten der Nation hinab. Die Haus-, Lehr- und Brotherren
- alles gute, alte deutsche Wörter - sind leibliche Brüder
der Fürsten, und stehen und fallen mit diesen, wie diese
mit ihnen stehn und fallen. (142)
Bei Lagarde nimmt die Forderung nach der Freiheit des Einzelnen
eine eigentümliche Wende. Die Quelle des Fortschritts
in der Geschichte sei der einzelne Mensch, doziert er 1875
in der Schrift Über die gegenwärtige Lage des
deutschen Reiches. In Versammlungen, also in Parlamenten
habe nicht der Einzelne, sondern nur die Gesamtheit eine Verantwortung,
weshalb er für eine Diktatur plädiert, die allerdings
in parlamentarischen Formen auszuüben sei.
(138f.)
Soziologisch lässt sich dieses Umschlagen von radikaler
Freiheit und Selbständigkeit in die Forderung nach einer
Diktatur kaum erklären. 1933 hat zwar ein großer
Teil der wirtschaftlich Selbständigen die Hitler-Diktatur
hingenommen, ja sogar herbeigewünscht, aber ausdrücklich
zur Abwehr einer noch schlimmeren kommunistischen Diktatur,
von der Lagarde um 1870 noch
nichts geahnt haben konnte.
seite6
Wir müssen also das Umschlagen von Freiheit in Diktatur
auf einer anderen, tieferen Ebene nachzuvollziehen versuchen.
2. Das Verhältnis zwischen Politik
und Religion
Lagarde hat also nicht nur Hitlers Polemik gegen den
Parlamentarismus vorweggenommen, sondern auch die Praxis eines
gleichgeschalteten Reichstags.6
Sogar in der Außenpolitik konnte sich Hitler auf Lagarde
berufen. Und im folgenden Text zeigt sich das Verhältnis
von Politik und Religion in seiner Weltanschauung am deutlichsten.
Lagarde unterbreitet in einem 1853 gehaltenen Vortrag Über
die gegenwärtigen Aufgaben der deutschen Politik
zunächst dem Thema entsprechend eine Reihe von politischen
Vorschlägen, die wir hier übergehen, dann wechselt
er überraschend zur Religion, auch wenn er diesen Übergang
zunächst gar nicht vorzuhaben scheint:
Ich übergehe hier die Hauptarbeit,
die religiöse.... Nur darum bitte ich Sie recht dringend:
denken Sie von der politischen Bedeutung der Religion ja nicht
gering. (27)
Dennoch kommt er dann auf den jüdischen Rassehochmut
zu sprechen:
... Die jüdische Religion besteht vielmehr einmal aus
dem festen, allerdings höchst sonderbaren Glauben an
den ungeheuren Wert der eigenen Nationalität - der Dünkel
der großen Nation ist ein unschuldiges Kinderspiel gegen
den jüdischen Rassehochmut - solcher Glaube hilft viel:
sodann besteht sie aus der Überzeugung, daß jeder
Augenblick des Lebens nach einem göttlichen Gebote eingerichtet
werden muß. Diese Gebote dünken uns vielfach äußerst
kindisch, aber sie haben die Juden gewöhnt stets unter
der Zucht zu stehen, stets aufzumerken, stets entsagen zu
können. Und die Kraft der Menschen und der Nationen liegt
in der Zucht und der Opferfähigkeit. Dazu kommt als drittes
die Poesie des jüdischen Kultus, vor allem die Sabbatfeier,
ein wahres Atemholen des inneren Menschen, das allein den
Juden ihr rastloses Leben ertragbar gemacht hat und ertragbar
macht....(29)
Der Monotheismus der Chinesen, Inder, Griechen und Mohammedaner,
so Lagarde weiter, sei das notwendige Ergebnis des Denkens
und im Gegensatz zum jüdischen an sich ohne jeden
ethischen Wert.
... Daß die Juden unter allen Umständen
Gottes Gebote tun wollten, das ist ihre Stärke gewesen:
dadurch sind sie erzogen, und durch diese Religions-Erziehung,
nicht durch ihre Rasse oder ihre Erwählung oder den Inhalt
ihrer Religion, sind sie uns furchtbar überlegen.
Die durch die talmudische Schulung der Nation angebildeten
Eigenschaften werden bleiben und wirken, wann der Talmud selbst
vom Undanke seines modern gewordenen Volkes längst vergessen
sein wird. Hier haben Sie einen Beweis für den Nutzen,
den eine nationale Religion einem Volke gewährt. (29f.)
6 Man
vergleiche Hitlers Ausführungen zum Stichwort Mangel
an Verantwortungsgefühl im Parlamentarismus Mein
Kampf (1935) S.85, S.262
seite7
Nach diesen Ausführungen folgt ein überraschender
und in den Konsequenzen fataler Übergang vom Himmel
der Religion zur Erde der Politik:
Ich habe über das, was ich übergehn
zu wollen erklärte, doch wenigstens ein paar Worte gesagt,
kehre aber nun ernstlich vom Himmel zur Erde zurück.
(31)
Er fordert dann, ganz im Sinne Hitlers, im Jahre 1852, also
fast zwei Jahrzehnte vor der Reichsgründung, um Deutschland
zu einer Nation durch eine Aufgabe und ein Ideal
zusammenzuführen, Kolonisation im Osten Europas, auch
wenn dies nur durch Krieg möglich sein werde. Und er
bejaht diesen Krieg aus voller Überzeugung, was vor allem
in seiner späten Schrift Über die Klage, daß
der deutschen Jugend der Idealismus fehlt aus dem Jahre
1885 deutlich wird. Das eine Ideal, das Deutschland
einen soll, so Lagarde in dieser späten Schrift, sei
die Menschwerdung Gottes in allen denen, die bereit sind,
ihr Leben auf den Schlachtfeldern zu opfern. Dies ist der
eigentliche Kern seiner nationalen Religion.
Der Übergang von der Autonomie des Menschen zu eisernem
Zwang war nur durch einen gewollten Widerspruch der idealistischen
"Philosophie der Freiheit" möglich geworden.
Der deutsche Idealist verwarf die französische "Freiheit,
alles tun zu können, was einem andern nicht schadet."
(Erklärung der Nationalversammlung vom 6.8.1789)
Statt Menschenrechten betonte er die Menschenpflichten,
die jeder kraft höherer Einsicht freiwillig zu übernehmen
hatte. So wollte die idealistische Philosophie rechts des
Rheins den Menschen stärker an das Ganze, an die Gemeinschaft,
an das Vaterland binden.
Aber wie erklärt sich dann der Hass dieses Antisemiten
auf die Juden? Hass beruht auf Ressentiments, auf Schwäche,
auf dem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit. Gehasst
wird der Jude, weil er dem deutschen Nichtjuden weit überlegen
ist. Und Lagarde hat dafür eine auf den ersten Blick
merkwürdige Erklärung: Der Jude unterwirft sich
Gottes Gebot. Weil der Nichtjude diese Bereitschaft nicht
mehr hat, ja nach der Philosophie des deutschen Idealismus
gar nicht mehr haben soll, - schließlich hat Kant die
Autonomie des Menschen als apodiktisches Gebot gefordert7
- will der Politiker Lagarde den Schaden ausbügeln, den
der Philosoph Lagarde mit dem überzogenen Freiheitsgedanken
der deutschen Philosophie angerichtet hat und weiter anrichten
wird, weil er sich von Kants Ideal der Autonomie nicht distanzieren
kann.
Jetzt wird das Umschlagen von Freiheit und Selbständigkeit
in eine moderne Diktatur klar. Der Deutsche soll als Soldat
moralischen Geboten gehorchen, nämlich sein Leben für
die Nation zu opfern.
7 Die Handlung, die mit
der Autonomie des Willens zusammen bestehen kann, ist erlaubt;
die nicht damit stimmt, ist unerlaubt. Kant,
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (BA86)
seite8
Der Prophet der Deutschen spricht in diesem Zusammenhang
von Menschwerdungen Gottes, (435) womit er einen
Bezug zum christlichen Ideal hergestellt hat.
Dadurch wird auch ein Licht auf das Verhältnis zwischen
Religion und Politik geworfen. Gebote gehen nicht mehr von
Gott, sondern von Menschen, genauer von einem Diktator aus.
Ganz anders als die Diktion von der politischen Religion
unterstellt, wird die Religion nicht zum Träger der Politik,
vielmehr verschlingt umgekehrt die Politik mit Hilfe der Philosophie
alles Religiöse vollständig, um es zu ersetzen.
Der Totalitarismus war keine Religion, auch keine politische
Religion, sondern ein politischer Ersatz für die Religion.
Zugleich zeigen sich hier Krise und Niedergang des deutschen
Idealismus. Es ist als hätte Lagarde den kategorischen
Imperativ, dass sich der Einzelne das moralische Gesetz selbst
auferlege, nicht mehr richtig verstanden.
Lagarde, der erste deutsche Orientalist, hat alle
Register gezogen, das Judentum als etwas Fremdes, Nicht-deutsches
zu entlarven; aber täuschen wir uns nicht: unter Jude
und Jüdisch versteht er, wie manch andere
Denker des deutschen Idealismus auch - ich meine vor allem
Feuerbach8 - das Religiöse
schlechthin, das der aufgeklärte Philosoph
vernichten will, auch die christliche Religion, die zwar nicht
das ganze jüdische Gesetz, aber doch immerhin einen wichtigen
Teil desselben übernommen hat, die Zehn Gebote, wie auch
das Gebot der Sonntagsruhe anstelle der Sabbatruhe, zur Disziplinierung
und Stärkung des Einzelnen.
Aber hat nicht Lagarde den Namen Gottes so oft im Munde geführt,
dass ihn Fritz Stern tiefreligiös nannte?
Lagardes Gottesbild entsprach, wie im Folgenden gezeigt wird,
nicht dem der Bibel und nicht dem der christlichen Religion,
sondern stammt aus dem deutschen Idealismus, der das Ich
ins Zentrum rückte und Gott nur noch als
Projektionsfläche dieses Ichs stehen ließ.
Manchmal nimmt Lagardes Weltbild geradezu manichäische
Züge an, was seinen Hass auf Hegel erklärt.9
Auch Religionsstifter Mani war ein Idealist, ein Gnostiker
und Platoniker: Welt und Geschichte seien nicht von Gott,
sondern von einer bösen Gegenmacht hervorgebracht.
Dazu ein Bekenntnis Lagardes:
Religion entsteht überall da, wo
Menschenherzen fähig sind, eine Seite des Lebens Gottes
zu erfassen. Gott wird nicht offenbart, sondern seines Daseins
irgend welcher Strahl leuchtet ein, und er tut das, weil die
Menschen gerade nach der Richtung gewendet sind, in welcher
stehend man ihn fassen kann. Der Fromme freut sich an Welt
und Geschichte, weil er in beidem etwas erblickt, was nicht
Welt und Geschichte ist.
8 Dieter
Just, Das gestörte Weltbild (4.3)
9 Hegel,
der Philosoph des Preußentums und der Verherrlichung
des Staates, war dem großdeutschen, völkisch denkenden
Lagarde ein Dorn im Auge. (410) Natürlich konnte ein
Vertreter der rechten Opposition im Kaiserreich Hegels berühmte
Sätze aus der Vorrede seiner Rechtsphilosophie nicht
unterschreiben: Was vernünftig ist, das ist wirklich;
und was wirklich ist, das ist vernünftig.
seite9
Der Gegensatz zwischen Welt und Geschichte einerseits und
Gott auf der andern Seite wird im nächsten Abschnitt
noch tiefer.
Religion entsteht weiter da, wo Menschenherzen
von irgend welchem sie Ängstigenden und Quälenden
frei werden wollen. Gott wird nicht offenbart, sondern irgend
etwas Ungöttliches in der Welt treibt, nachdem Gegenteile
des Ungöttlichen zu greifen, und das ist Gott. Der Mensch
flüchtet vor der Welt und Geschichte zu Gott, weil er
in beiden etwas erblickt, was nicht zu ihm selbst stimmt.
(182f.)
Nun wird Religion meist als eine
Bindung an höhere Mächte verstanden, die das Freiheitsbedürfnis
des Menschen einschränkt. Davon ist bei Lagarde nicht
die Rede.
So ist Religion erstens Freude an Gott und
an seinem Tun, so ist sie zweitens der vollendetste Ausdruck
des Freiheitsbedürfnisse des Menschen. (183)
Was in Welt und Geschichte nicht zum Menschen
stimmt, drängt uns zu Gott hin. Gott und der Mensch scheinen
förmlich miteinander zu verschmelzen.
Niemand glaubt noch, daß das höchste
Wesen Befehle vom Himmel gesandt, Anweisungen gegeben habe,
wie das Leben einzurichten sei, wenn es Gott wohlgefällig
sein solle.(183)
Aber was bedeutet unter diesen Prämissen
überhaupt noch das Wort Gott?
3. Das Volk als neuer Gott?
Wenn man bedenkt, dass die evangelische
Landeskirche Württembergs durch eine strenge Kirchenzucht
- Kartenspielen, Trinken und Huren wurde mit Geldstrafen oder
mehrtägigem Karzer bestraft - den Nationalcharakter
der Schwaben geprägt hat, dann wird zwar niemand diese
Praktik für zeitgemäß halten, dennoch stellt
sich die Frage, ob diese Züchtigungsmittel nicht wesentlich
humaner waren, als die von Lagarde vorgeschlagenen:
nämlich militärischer Drill, Kriege, Eroberung neuen
Lebensraums.
Woher nahm der Prophet der Deutschen überhaupt
die Vollmacht, als Einzelner, getragen
von der Liebe zu seinem Volke, wie er betont, (443) diktatorische
Forderungen in seinen Schriften für das deutsche Volk
zu erheben.
Schauen wir uns die einzelnen Titel10
an:
Konservativ? (9), Über die gegenwärtigen
Aufgaben der deutschen Politik (22), Über das Verhältnis
des deutschen Staates zu Theologie, Kirche und Religion (45),
Drei Vorreden (91), Diagnose (103), Über die gegenwärtige
Lage des Deutschen Reichs (114), Zum Unterrichtsgesetze (195),
Die Religion der Zukunft (251), Die Stellung der Religionsgesellschaften
im Staate (287), Noch einmal zum Unterrichtsgesetze (305),
Die Reorganisation des Adels (326), Gedicht (334), Die Finanzpolitik
Deutschlands (336), Die graue Internationale (358), Programm
für die konservative Partei Preußens (372), Über
die Klage, daß der deutschen Jugend der Idealismus fehle
(430), Die nächsten Pflichten deutscher Politik (443),
Gedicht (482).
Er schreibt über fast alle nur denkbaren
Themen, wie sie heute von den Redaktionen unserer Zeitungen
von mehreren Mitarbeitern bearbeitet werden, über Religion,
Finanzen, Wirtschaft, Innenpolitik, Soziologie,
Außenpolitik, Strategie, Pädagogik.
10
In Klammer die Seitenzahlen des
jeweiligen Anfangs.
seite10
Er behauptet von sich, lustlos zu schreiben (443), aus Pflichtgefühl,
und der Begriff der Pflicht - man vergleiche Die nächsten
Pflichten deutscher Politik - war sein aus der
idealistischen Philosophie Kants und Fichtes entnommenes Mittel,
selbst den Mächtigsten ins Gewissen zu reden. Was sein
Lust- oder Unlustgefühl beim Schreiben angeht, wirkt
er gemessen an den jüdischen Propheten, an Jesus Christus
oder Mohammed zu nüchtern, zu pedantisch, fast beckmesserisch
kleinlich, es fehlt ihm der dichterische Schwung, der Religionsstifter
auszeichnete. Sein Vorbild ist Fichte, der zuerst in den Reden
an die deutsche Nation den Begriff deutsch definierte.
Deutscher sei, wer deutsch als Muttersprache spricht, und
eine besondere Neigung zur Vaterlandsliebe, also zum Idealismus,
d.h. zu Fichtes Philosophie besitzt. Der Beweis wird nicht
geführt, kann nicht geführt werden, er ist gefühlsmäßig
einfach da, wie Fichte kategorisch behauptet:
Übrigens ist hierbei anzumerken, daß
die Entscheidung über diese Frage11
keineswegs auf einer Beweisführung durch Begriffe beruht...
In einem solchem Falle mögen Millionen sagen: es sei
nicht... Und wenn ein Einziger gegen diese Millionen auftritt
und versichert, daß es so sei, so behält er gegen
sie alle recht. Nichts verhindert, daß, da ich nun
gerade rede, ich in dem angegebenen Falle dieser Einzige sei,
der da versichert, daß er aus unmittelbarer Erfahrung
an sich selbst wisse, daß es so etwas, wie deutsche
Vaterlandsliebe gebe... -
dann, so Fichte sinngemäß, habe
er Recht, und ..
Wer dasselbe in sich fühlt, der wird überzeugt werden;
wer es nicht fühlt, kann nicht überzeugt werden.
(9.Rede)
Und so redete auch Lagarde zunächst, wie er glaubte,
als Einziger. Er war stolz darauf, zwischen allen Stühlen
zu sitzen, keiner Partei und Konfession zugehörig, auch
nicht der herrschenden Monarchie hörig, die bereits dem
Parlamentarismus verfallen sei. Aus der radikalen Position
eines Außenseiters lässt sich nun nicht politisch
wirken. Und dennoch hat sich Lagarde gebieterisch zu nahezu
allen Problemen geäußert und selbst den Mächtigsten
eingeschärft, was ihre Pflicht sei. Gewisse Parallelen
zu Hitler fallen auf, der sich ebenfalls als Genie fühlte,
so in seiner Polemik gegen den Parlamentarismus. 12
Wenn aber das Genie auf seiner einsamen Überlegenheit
über die Masse beruht, stellt sich die Frage, wie dieser
einsame Geist seine Isolierung durchbrechen und sein Publikum,
die Masse, sein Volk erreichen konnte.
11
Nämlich ob die Deutschen
zur Vaterlandsliebe fähig sind, was unten klar wird.
12
Ist die Unfähigkeit
eines Führers dadurch bewiesen, daß es ihm nicht
gelingt, die Mehrheit eines durch mehr oder minder saubere
Zufälle zusammengebeulten Haufens für eine bestimmte
Idee zu gewinnen? Ja, hat denn dieser Haufe überhaupt
schon einmal eine Idee begriffen, ehe der Erfolg zum Verkünder
ihrer Größe wurde?
Ist nicht jede geniale Tat auf diese Weise der sichtbare Protest
des Genies gegen die Trägheit der Masse? Mein
Kampf (86)
seite11
Und auch hierin hat Lagarde bereits den Führer
des großdeutschen Reiches vorweggenommen. Auch der einsame
Prophet verschmähte keineswegs die allerplumpesten
Mittel demagogischer Rhetorik. Daraus erklären sich seine
häufigen Denkfehler, weil er sich nicht den immanenten
Sachzwängen unterwirft, die in einem bestimmten Bereich
gelten, sondern ständig, ohne einen Gedanken abzuschließen,
das Sachgebiet abrupt wechselt, also z.B. von der Religion
unvermittelt übergeht zur Politik, um so zu Ergebnissen
zu kommen, die jeden Religions- oder Politikwissenschaftler
gelinde gesagt verblüffen. So kommt trotz des trockenen
Stils keine Langeweile auf. Dazu nur ein Beispiel für
seine Art der Argumentation: Alles, was dem Menschen frommt,
sei das Ergebnis eigener Arbeit, beginnt er seinen Aufsatz
über die graue Internationale, worunter er
die Liberalen und die mit ihnen verbündeten Juden bezeichnet.
(358ff.) Er will vor allem im Bereich der höheren Werte
für Bodenständigkeit werben, also dafür alle
den fremden Plunder von Werten, wie die jüdische
Bibel, aus Deutschland zu entfernen. Dazu beginnt er jedoch
mit einer finanzpolitischen Erörterung, in der er völlig
zu Recht den großen Börsenkrach und die Wirtschaftskrise
der siebziger Jahre auf die hohen Summen zurückführt,
die als Kriegsentschädigung Frankreichs ins deutsche
Reich strömten. Dann wird der kühne Analogieschluss
gezogen:
Ganz genau wie mit jenem Gelde verhält
es sich nun mit geistigen Gütern. Kein Volk kann
die Grundsätze des politischen Lebens, kann die Ergebnisse
der Weltkultur äußerlich überkommen. (358)
Wonach er sofort zur Polemik gegen den Liberalismus überleitet,
der - historisch richtig gesehen - aus dem westlichen Ausland,
aus England und Frankreich und den USA importiert
worden war. Kein Wunder, dass er dann alle antijüdischen
Vorurteile aufgreift, wie das Argument, hier liege ein fremde
Religion vor, verbunden mit Geldherrschaft, Wucher etc.
Nietzsche hat in diesem Zusammenhang in Über Wahrheit
und Lüge im außermoralischen Sinn 2 von einem
Trieb zur Metapherbildung gesprochen, jenem menschlichen
Fundamentaltrieb, der das von der Wissenschaft gezimmerte
Bretterwerk der Begriffe immer wieder einreißt und in
buntem Spiel durcheinanderwirbelt. In gewisser Weise enthemmt
auch Lagarde diesen Trieb, wenn er von der Religion unvermittelt
in die Politik überwechselt, von der Volkswirtschaft
in die Geistesgeschichte.
Wie ist diese Triebenthemmung zu deuten? Lagarde hat sich
als Wissenschaftler durchaus der strengen Disziplin seines
Faches unterworfen, sonst hätte er darin nichts geleistet.
Aber nebenher schrieb er gewissermaßen zur Entspannung
seine Deutschen Schriften.
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Es machte ihm offensichtlich Spaß, die von der Wissenschaft
gezogenen engen Grenzen zwischen den einzelnen Fächern
und Disziplinen einzureißen, über den Spezialisten
hinaus wirken zu können, zumal dieser wahrhaft diabolische,
d.h. nach dem Diabolos, dem Durcheinanderwerfer, benannte
Trieb den letzten Rest des Anspruchs großer Philosophen
darstellt, wie ein königlicher Adler über allen
Bereichen der bloßen Wissenschaft, in denen gelehrte
Sklaven sich abquälen, zu schweben.
Doch hier gilt es, noch tiefer zu blicken. Verhängnisvoll
war der jähe Wechsel vom Himmel der Religion auf die
Erde der Politik, wie wir oben sahen. Der eigentliche Kern
seines Antisemitismus liegt in der Krise, im Niedergang des
deutschen Idealismus, in der Unfähigkeit, den in der
Tat fast unverständlichen Satz, das Ich lege sich selbst
das allgemeine Sittengesetz auf, wenigstens noch einigermaßen
zu verstehen. Angesichts einer von ihnen selbst entgötterten
Welt - bekannt ist Nietzsches Klage über Gottes Tod,
die meist ohne den Zusatz wir haben ihn getötet13
zitiert wird - riefen die Idealisten nach einer
Diktatur. Nun hat Lagarde, um auf den wichtigsten Punkt noch
einmal von einer anderen Seite her zurückzukommen, hin
und wieder das Wort Gott gebraucht. Aber mit dem folgenden
Gottesbeweis hat er sich selbst porträtiert.
Wenn irgend etwas für unsere Zeit
charakteristisch ist, so ist es die brutale Tyrannei des Allgemeinen,
dessen, was die alte Kirche Welt nennt, mag diese Welt sich
als Gewohnheit, Mode, Sitte, Kultur, Gesellschaft, Staat,
Kirche verkleiden. Alle anderen Leiden sind verschwindend
gering gegen den Schmerz ein Helot zu sein, nie im Leben auch
nur eine halbe Minute lang sich selbst gehören zu dürfen.
Wenn irgend etwas in unserer Zeit erquickend und befreiend
wirkt, so ist es das Dasein - selten genug ist dies Dasein
- origineller, ganz ihren eigenen Weg gehender, von Grund
ihres Herzens mutiger und frommer Menschen, welche nur um
Gottes willen handeln und leben. Wo sonst heutzutage in Deutschland
Freude zu finden wäre, wüßte ich nicht.
Die Natur ist ein Gegenstand der Wissenschaft geworden:
die Götter und Gott sind aus ihr gewichen,14
und haben ihr Reich an die Gesetze abgetreten. Niemand glaubt
noch, daß das höchste Wesen Befehle vom Himmel
gesandt, Anweisungen gegeben habe, wie das Leben einzurichten
sei, wenn es Gott wohlgefällig sein solle...
13 Nietzsche,
Fröhliche Wissenschaft 125
14 Es
kann also keine Rede davon sein, dass Lagarde, wie Fritz Stern
(S.64) behauptet, in Gott den Schöpfer und Erlöser
des Menschengeschlechts gesehen habe, der jedem Menschen und
jeder Nation eine ganz bestimmte Aufgabe zugewiesen habe.
Aus dem von Stern als Beweis zitierten Satz: In der
Geschichte geht neben hellen Geistern auch ein finsterer Geist
um, der Sünde heißt, dessen Spuren überall
zu sehen, dessen Taten auf Schritt und Tritt zu erkennen sind,
folgt, dass Lagarde eben gerade nicht den biblischen Gott,
sondern einen manichäischen bösen Gott als Gott
der Geschichte anerkennt. Der gute Gott ist mit dem idealistischen
Menschen identisch, denn es heißt kurz zuvor: Hat
sich die Menschheit aus der Thierheit, oder hat sie sich aus
einer Menschenkindheit zu der jetzt von ihr eingenommen Daseinsform
emporgearbeitet? Ich behaupte Aus der letzteren...
Lagarde, Mitteilungen II, Göttingen 1887, S.74
seite13
Eines ist noch da. Der Wiedergeborene,
welcher um Gottes willen Schande und Elend trägt, Ehre
und Wohlleben verachtet, den Tod nicht fürchtet und zuversichtlich
genug ist, ein ewiges Leben ertragen zu wollen.
In ihm ist Gott: an ihm ist Freude und Befreiung. Er
ist der lebendige unter uns wandelnde Beweis des Daseins der
Ewigkeit, des Wirkens der Mächte der Ewigkeit, und zwar,
wie das jedem stille lauschenden Herzen klar werdende Walten
einer die einzelnen Menschen völlig individuell erziehenden
Liebe der einzige Beweis für die Unsterblichkeit der
Seele, so ist das Dasein dieses wiedergeborenen, dieser
persönlichen Erziehung sich hingebenden Menschen der
allereinzigste Beweis für das Dasein des persönlichen
Gottes. Nehmet diese Menschen aus der Welt, so ist alles
dunkel in ihr. (183)
Die bloße Existenz einzelner Kämpfer
Gottes, wie z.B. Lagardes, ist der einzige Gottesbeweis.
Lagarde ist den Weg des einsamen Kämpfers unerschrocken
gegangen. Er hat als erster deutscher Orientalist wertvolle
Arbeit geleistet. Sein politisch-theologisches Wirken hat
uns jedoch ein schlimmes Erbe hinterlassen.
In der Leidenschaft, mit der seine Freiheitsliebe die brutale
Tyrannei des Allgemeinen oder die Heloten-Existenz verneint,
spaltete sich ganz ähnlich wie bei H. St. Chamberlain15
Kants Gedanke der Autonomie des Willens in der Moral auf.
Was Kant noch verbunden hatte, bricht jetzt auseinander: die
bis zum Narzissmus getriebene Vorstellung einer autonomen
zum Gott erhobenen Persönlichkeit einerseits und das
brutale allgemeine Gesetz der Moral andererseits,
von Lagarde verächtlich mit Worten wie Gewohnheit",
Mode, Sitte, Kultur, Gesellschaft,
Staat, Kirche abgetan. Dass sich hier
eine neue Barbarei ankündigt, liegt auf der Hand.
Was seine Person angeht, war Lagarde ein sehr schwieriger
Charakter, der sich nicht anpassen konnte. Unverständlich
ist, wie er sich anmaßen konnte, ohne irgendeinen Verbündeten
Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Das Rätsel liegt
darin, dass die Position des Unbequemen, Unangepassten in
einem Land wie Deutschland mit dem Nimbus der Wahrhaftigkeit
verbunden war, weshalb ihm der Ehrentitel eines Propheten der
Deutschen verliehen wurde.
Man kann diesen Sachverhalt auch anders ausdrücken. Die
radikale Verweigerung jeglicher Anpassung ist ein Ausdruck
von Nihilismus. Aber Lagarde hat sich einem Ideal verschrieben.
Und die Worte Ideal und Gott sind in seinem Denken zu Synonymen
geworden. Ohne dieses Ideal, ohne seinen Gott hätte er
seine Isolation nicht ausgehalten.
Er empfand wie zur Erholung von den vielen Feindschaften,
in die er sich verstrickte, eine große, romantische
Liebe zum Volk, das er sich allerdings
nach seinem Bilde
15 Die
Schattenseite des Idealismus (12.2)
seite14
schuf und aus lauter Herren (Haus-, Lehr- und Brotherren
etc.) zusammengesetzt vorstellte.
Dieses Volk war unerlöst wie Lagarde selbst, in einer
bösen Welt Feinden ausgesetzt, so dass es nicht in einem
großdeutschen Staat zusammenfinden konnte. War das von
Fichte über die deutsche Sprache und über deutsche
Sitte definierte Volk in Wahrheit der Gott des deutschen
Propheten? Dieser war mit dem Gott der Geschichte nicht identisch,
denn dann hätte die nationale Opposition von rechts Hegels
berühmten Satz, das Wirkliche sei das Vernünftige,
wenigstens einigermaßen beherzigen müssen. Doch
Lagardes Liebe zu seinem Volk konnte
dieses nicht so nehmen, wie es damals noch war, nämlich
sehr fromm, nach evangelischer, katholischer oder jüdischer
Konfession.
Für die Volkssouveränität und für das
Menschenrecht der Religionsfreiheit war in dieser Liebe
kein Platz. Hat Lagarde nicht das Denkmuster einer idealistischen
Diktatur16 geschaffen, das Hitler
nur ins rein Politische umsetzen musste? Wie konnte ein Unangepasster,
völlig Isolierter nicht als Wissenschaftler, - was man
verstehen könnte, sofern ihm eine bahnbrechende Erkenntnis
gelungen wäre - sondern als Politiker mit dem Nimbus
der Wahrhaftigkeit umgeben werden?
Die Moral aller Gesellschaft lautet, dass Vereinsamung
Schuld sei. (Nietzsche 10/105)
Von hier ist es zu Nietzsches Kritik des Christentums nicht
weit. Das Christentum hat die moralischen Werte immer scharf
vom sündigen Ich getrennt. Aber die Philosophie Kants
hat beides zusammengemischt. Das Ich lege sich selbst das
Sittengesetz auf. So konnte eine neue Verbindung von moralischen
Werten und unmoralischen Motiven entstehen. Der Heilige als
die mächtigste Spezies. (Nietzsche) Allerdings kannte
schon die Antike diese Verbindung, wie Seneca im 41. seiner
Moralischen Briefe an Lucilius bezeugt:
Wenn Du einen Menschen erblickst, unerschrocken
in Gefahren, unberührt von Leidenschaften, im Unglück
glücklich, mitten in den Stürmen gelassen, von einer
höheren Ebene die Menschen betrachtend, auf gleicher
die Götter, wird Dich nicht Ehrfurcht vor ihm überkommen?
(Übersetzt von Franz Loretto)
Hier scheint keine Spur von christlicher Demut vorhanden
zu sein. Aber die antike Philosophie
war noch von der Notwendigkeit des Dialogs überzeugt.
So finden sich diese Sätze nicht zufällig in einem
Brief. Seneca spricht darin weiter von einer göttlichen
Kraft, die sich in den schwächlichen Körper des
Weisen hinein gesenkt habe.
16 Man vergleiche meine Darstellung
der Lehre des Dritten Reiches im Kapitel Moeller van den
Bruck in Die Schattenseite des Idealismus
seite15
Ein so großartiges Ding wie der unerschütterliche
Stoiker könne nicht ohne Stütze der Gottheit bestehen.
Erst nachdem der deutsche Idealismus das Ich nicht nur zum
Ursprung der Moral, sondern auch noch zur Grundlage der Erkenntnis
und damit der Wahrhaftigkeit erklärt hatte, konnte sich
die Selbstvergöttlichung des Menschen vollenden, und
zwar ausgerechnet als Kopernikus und Darwin den homo sapiens
längst entthront hatten. Und diese Philosophie blieb,
auch wenn das unsere Philosophen nicht wahrhaben wollen, keine
rein akademische Lehre, sondern hat in Deutschland auch im
Leben gewirkt und selbst unphilosophische Köpfe in ihren
Bann geschlagen. Denn aus dem deutschen Idealismus entwickelte
sich die nationale Ideologie der Deutschen. Kant hat die Autonomie
des Menschen gefordert, um ihn aus der Bevormundung durch
die Kirchen herauszureißen. Das Ziel war ein möglichst
alle Menschen umfassendes Reich der Vernunft. Aber Lagarde
hat nach dem Vorbild von Fichtes Reden an die deutsche
Nation der Philosophie ein nationales Ziel gesetzt: Die
Schaffung von Großdeutschland. Da sich nach der Reichsgründung
nur eine Minderheit diesem Ziel verschrieb, sah er sich in
die Position eines aufgeklärten Monarchen versetzt, der
sein politisches Ziel notfalls auch gegen den Willen der Mehrheit
verfolgen wollte. Wie kaum ein anderer zeigte er deshalb die
Verkörperung einer Synthese der neuen Dreieinigkeit von
Ich (Herrschsucht), Liebe und Wahrhaftigkeit,
christlich gesprochen von Vater, Sohn und Heiligem Geist.
Ich habe zwei der Begriffe in Anführungszeichen gesetzt,
denn wer garantiert, dass sich die ungleichen Elemente in
einer solchen Gedankenverbindung wirklich zu einer höheren
Einheit auflösen? Könnte sich nicht das ursprünglichste
und vitalste der Elemente, das machtlüsterne Ich, die
andern unterwerfen? Die göttliche Autorität der
Gesetzgeber der Zukunft resultierte nicht aus der Religion,
sondern aus der Philosophie, wie ein Blick auf den bereits
erwähnten Aphorismus Nietzsches zeigt, genauer aus der
Egomanie der klassischen deutschen Philosophie. Das Ich erzeugt
sich den Kosmos, und zwar ohne Dialog mit anderen Ichen.
Es ist bezeichnend, dass von Ich kein Plural möglich
ist. Solange die Philosophen noch dachten und nur als Denker
die Welt verändern wollten, bestand die Gefahr einer
Überbewertung des persönlichen Ichs noch nicht.
Jedes vernünftige Wesen war ein solches Ich. Problematisch
wurde es, als Fichte mit den Reden an die deutsche Nation
unmittelbar politisch wirken wollte, d.h. in einem konkreten
Konflikt Partei ergriff und seine Philosophie in den Dienst
der Befreiungskriege stellte.
seite16
Als dann dieses Ich des Denkers unmittelbare politische Kompetenz
beanspruchte, bedeutete die Ablehnung des Dialogs automatisch
das Nein zur Gewaltenteilung und zu jeglicher gesellschaftlichen
Kontrolle. Fichtes Vorschlag, eine deutsche Nationalerziehung
obligatorisch einzuführen, kann nur als diktatorische
Anmaßung gedeutet werden. Politische Wirkung erreichte
die Philosophie des deutschen Idealismus auch im Marxismus,
dessen Ablehnung von Menschenrechten, Gewaltenteilung und
Volkssouveränität bekannt ist. Aber diese Entwicklung
hatte auf der rechten Seite eine Parallele, die bisher kaum
gesehen wurde. Was sich in Fichtes politischen Reden angedeutet
hatte, vollendete sich in der Person Lagardes, der eine geistige
Diktatur errichtete und aus Liebe zu seinem Volk
alle Gegner in Kirchen und Parteien der Verlogenheit bezichtigte.
Aber schauen wir einmal genauer hin, welches Niveau die Wahrheit
dieses Diktators eigentlich hatte. Seine kühne These,
mit den liberalen Werten verhalte es sich genauso wie mit
dem französischen Gold, wäre mit der entsprechenden
Leichtigkeit vorgetragen eine gute Lachnummer: Preußen-Deutschland
besiegt Frankreich und verlangt eine hohe Kriegsentschädigung.
Die Franzosen zahlen pünktlich. Aber der unerwartete
Goldsegen löst rechts des Rheins die sogenannte Gründerkrise
aus; also beschuldigen Deutsche die Franzosen eines ganz
gemeinen Imperialismus: Nicht nur Gold, auch geistige
Werte hätten sie den Deutschen aufgedrängt. Vielleicht
hat Lagarde, da einem Propheten nichts Schlimmeres passieren
kann, als die Lachmuskeln zu reizen, - auch Hitler schwebte
nicht ganz ohne Grund immer wieder in der Angst, lächerlich
zu wirken - einen so bierernsten Stil gewählt. Und in
der Tat bleibt einem das Lachen auch im Halse stecken, wenn
man bedenkt, dass sich aus diesen Abfallprodukten deutschen
Geistes das deutsche Verhängnis zusammenbraute.
Hervorhebungen vom Autor sind fett-kursiv gesetzt.
Waiblingen, November 2005
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